70%-Regelung oder Netzmanagement - Verluste bei 70%-Kappung?

Zusammenfassung


Gemäß EEG muss bei der Einspeisung eine der folgenden Varianten vom Betreiber umgesetzt werden (man darf auch zwischen den Varianten wechseln):


Variante 1: "70%-Regelung": Die Einspeise-Leistung (nicht Energiemenge!) wird auf 70% der PV-Nennleistung begrenzt.

Beispiel: Die PV-Module haben eine Nennleistung von 5 kWp, also darf der WR nur maximal 5 kW * 0,7 = 3,5 kW in das Stromnetz einspeisen.

Da PV-Anlagen nur an wenigen Stunden im Jahr ihre Nennleistung erreichen, entstehen durch die 70%-Abregelung nur geringe Verluste von maximal 2-5% des Jahresertrages (Detailbetrachtungen siehe unten).

Nicht verwechseln: Die maximale Leistung (5 kW) wird auf 70% begrenzt (3,5 kW). Aber der Jahresertrag (5000 kWh) sinkt dadurch nur um wenige Prozent (auf z.B. 4800 kWh).


Variante 1.a: "70% hart": Die Begrenzung auf 3,5 kW ist fest im WR eingestellt (egal, wie hoch der Eigenverbrauch im Haushalt gerade ist). Es genügt ein kleiner, günstigerer WR, da er niemals mehr als 3,5 kW produzieren muss.


Variante 1.b: "70% weich": Es wird eine zusätzliche Steuerung installiert, die die Einspeisung und den Eigenverbrauch überwacht. Wenn mittags der Herd läuft und 1 kW verbraucht, dann erlaubt die Steuerung dem WR, bis zu 4,5kW zu produzieren, weil davon ja nur die erlaubten 3,5 kW eingespeist werden, und die restlichen 1 kW als Eigenverbrauch im Haus verbraucht werden.

Für diese Steuerung werden je nach WR hundert bis einige hundert Euro fällig, und im Vergleich zu "70% hart" entstehen ggf. Mehrausgaben für einen größeren WR.

"70% weich" lohnt sich, wenn es tagsüber einen hohen Stromverbrauch gibt, bzw. wenn der Stromverbrauch gezielt in die Mittagsstunden verlegt werden kann.


Variante 2: Ferngesteuerte Abregelung durch den Netzbetreiber

(Diese Variante ist für Anlagen mit mehr als 30kWp verpflichtend.) [Ab 01.01.2021 ist die Grenze bei 25kWp]

Die Anlage darf immer mit voller Leistung einspeisen, aber es muss eine vom Netzbetreiber gewählte Vorrichtung installiert werden, mit der der Netzbetreiber die Anlage aus der Ferne abschalten kann (das passiert so gut wie nie, und man würde eine Entschädigung für entgangene Erträge erhalten).

Diese Lösung kostet ca. 200 bis über 1000 Euro (je nach Netzbetreiber: Rundsteuerempfänger, Funkmodem, Mobilfunkmodem), und lohnt sich nur bei größeren PV-Anlagen, oder wenn der Netzbetreiber einen sehr günstigen Rundsteuerempfänger anbietet. (Beispiel-Kosten siehe hier.)


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Viel wird diskutiert über das Für und Wider der 70%-Kappung bei Dachanlagen unterhalb von 30 kWp. Ganz unabhängig von der Sinnhaftigkeit der Regelung im EEG2012 - ich möchte hier einfach mal einen sachlichen Beitrag leisten zur Orientierung für die Frage


70%-Dimensionierung oder Teilnahme am (vereinfachten) Netzmanagement? Wann ist welche Lösung sinnvoller?


Eine ähnliche Fragestellung ergab sich bereits früher, als Wechselrichter in der Regel immer 5 bis 20% kleiner dimensioniert wurden, als es die PV-Nominalleistung erwarten lässt (meine Einschätzung damals: Tatsächliche Ertragsverluste durch Wechselrichterunterdimensionierung).


Derzeit gibt es viel Verunsicherung seitens der angehenden Anlagenbetreiber, die sich mit der Frage konfrontiert sehen, ob sie für ihre Kleinanlage <30 kWp die Fernabregelung wählen oder sich für die kostengünstigere 70%-Kappung entscheiden sollen. Mich überrascht immer wieder die große Spannbreite, die für die Ertragsverluste bei einer 70%-Kappung angegeben werden. Das BUM geht in den „Informationen zum EEG 2012“ von einer Einbuße von 1-3% aus („Aufgrund der dem Bundesumweltministerium vorliegenden Daten betragen die jährlichen Verluste zwischen 1% und 3%“). In PHOTON 2/2012 wurden unterschiedliche Quellen zitiert, die Einbußen von „3-8%“, „9%“ und „10-12%“ erwarten lassen. Was ist von diesen zwischen 1% und 12% ungeheuerlich gespreizten Verlustabschätzungssimulationen zu halten? Und was kann man aus realen Daten hier in Deutschland tatsächlich ableiten?


Optisch sieht diese Spitzenkappung – mit einem Datalogger aufgezeichnet – äußerst schlimm aus. Aber wieviel macht sie über das Jahr gesehen tatsächlich aus? Da helfen nur Zahlen, Daten und Fakten.


Ich selbst habe eine kleine PV-Anlage mit 4,2 kWp Modulleistung. Mein Dach liegt in Süddeutschland (relativ hohe Einstrahlungswerte) und hat eine ziemlich ideale Ausrichtung (38° Neigung, nur 10° Abweichung von Süd). Es gibt keinerlei Verschattung und mein Wechselrichter kappt die Leistung bis auf sehr kurzzeitige und damit unerhebliche Spitzen nicht (regelmäßige maximale Ausgangswerte liegen bei 4.110 WpAC, was auf der DC-Seite einer Leistung von rund 4,33 kWpDC entspricht). Der Jahresertrag 2011 (1.298 kWh/kWp am geeichten Zähler, und das trotz "mäßigem", da mit Trafo versehenen Wechselrichter mit einem europäischen Wirkungsgrad von nur 95% bzw. einem PHOTON-Wirkungsgrad von nur 94,5%) untermauert die Top-Rahmenbedingungen meiner Anlage. Deshalb habe ich mal zwei volle Kalenderjahre (2010 + 2011) anhand meiner Datalogger-Daten ausgewertet, wobei ich sehr gewissenhaft u.a. den über die verschiedenen Monate und Jahre absolut konstanten, kleinen Korrekturfaktor zwischen Abrechnungszähler und Wechselrichterleistungswerten berücksichtigt habe.


Meine Ergebnisse:

Wenn ich die Netzeinspeiseleistung durchgehend auf max. 70% der Modulleistung begrenze, dann beträgt mein relativer Verlust genau 3,57% (bezogen auf beide Jahre 2010 und 2011). Selbst im Top-Sonnenjahr 2011, in dem ein größerer Einfluss der Kappung zu erwarten ist, beläuft sich die Einbuße auf lediglich 3,65%. Für mich stellen diese realen Erfahrungswerte aus den genannten Gründen (ideale Dachlage und -ausrichtung) nun so etwas wie absolute Obergrenzen bei der Bewertung der Frage nach 70%-Regelung oder Fernabregelungstechnik dar. Mit mehr als einer Einbuße von 4% muss also offenbar ein Anlagenbetreiber in Deutschland nicht rechnen. Jegliche Abweichung von Idealbedingungen (Dach in Norddeutschland, schlechtere Ausrichtung oder Neigung, Teilverschattung etc.) reduziert die Einbuße unter deutschen Einstrahlungsverhältnissen weiter.


Davon ausgehend kann man in betriebswirtschaftlichen Renditerechnungen eine Schwellkostengrenze ermitteln, bis zu der das erhöhte Investitionskosten verursachende Einspeisemanagement der 70%-Regelung zu bevorzugen ist: Sie liegt bei 10kWp-Anlagen im Bereich 350 - 400 Euro netto für ideale Dächer, für Abweichungen von den Idealbedingungen deutlich niedriger. Hier ist noch nicht mit einbezogen, dass im Falle häufiger Fernabregelungen nur 95% des entgangenen Ertrags entschädigt werden (was im Extremfall auch bis zu 1% Verlust im Jahr bedeuten kann). Da die meisten Netzbetreiber die kostengünstige Ein-/Aus-AC-Schütz-Lösung in Zusammenhang mit einem Rundsteuerempfänger nicht akzeptieren und eine mindestens 4-stufige Abregelbarkeit fordern, die man mit Zusatzgeräten (wie dem Solarlog 200-PM oder 500-PM oder ähnlichen Lösungen von Wechselrichterherstellern) realisieren muss, und da manche Netzbetreiber sogar für den Rundsteuerempfänger hohe Einrichtungs- und Unterhaltsgebühren verlangen, hat man diese Schwelle meist schnell überschritten. Deshalb ist aus meiner Sicht die 70%-Kappung (so ärgerlich sie auch ist) in den meisten Fällen durchaus zu bevorzugen.


Die Einschätzung relativiert sich natürlich dann, wenn ohnehin ein moderner Datalogger (durch Rundsteuerempfänger ansprechbar und fähig zur Wechselrichterabregelung) zum Einsatz kommen soll. Kostet in so einem Fall der Rundsteuerempfänger (RSE) nur um die 150 Euro und verlangt der Netzbetreiber tatsächlich keinerlei einmaligen Einrichtungs- oder regelmäßigen Unterhaltsgebühren fürs Netzmanagement (das ist beileibe nicht bei jedem Versorger gegeben! Ein mir bekanntes Stadtwerk verlangt für den RSE 900 Euro und eine monatliche Gebühr von 10 Euro ...), dann kann man getrost das vereinfachte Netzmanagement wählen und die bis zu 4% höheren Erträge mitnehmen.


Fazit:

Vor unerträglichen Verlusten bei der Wahl der 70%-Begrenzung des Wechselrichters muss sich niemand fürchten. Zwar betragen sie bei absolut idealen Anlagenverhältnissen etwas mehr als die vom Bundesumweltministerium angegebenen 1-3%, aber keinesfalls 9-12%, wie einem andere Quellen weis machen möchten. Die Schwellkostengrenze für Zusatzkosten einer Teilnahme am Netzmanagement liegt meist bei unter 400 Euro für ideale Süddächer und nochmal um einiges niedriger bei Abweichungen von idealen Standorten hoher Einstrahlung und guten Dachausrichtungen/-neigungen.


Ergänzung:



Quelle: Ausgewertet: Verluste durch Abregelung!



Quelle: 70% Vergütung - wie muss ich das verstehen?

14 x SunPower 300W = 4,2 kW, SPR-4000F
Ertrag: regelmäßig >1100 kWh/kWp/a * 2011: ~1300 kWh/kWp/a * 2012: 1244 kWh/kWp/a
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Kommentare 3

  • Jo gefällt und entspricht auch der meinen Erfahrung


    Ich habe geloggte Spitzentage ohne Abregelung (da dynamisch und an diesen Tagen hoher EV vorhanden war) auch einfach mal durch ne Excel gejagt.


    Der "Gewinn" oberhalb einer 70% Begrenzung lag bei wenigen Prozent des Gesamtertrages.


    Muss dazu sagen, dass ich die Gesamtleistung der PV-Anlage (3 WR) genommen habe. Habe kürzlich gelernt, dass wohl nur die erste Anlage davon betroffen sei...

  • Super Beitrag, der die Thematik auch für Laien sehr gut beleuchtet - zumindest glaube ich alles verstanden zu haben!


    Bitte die neue Grenze von 25kWp aus der EEG2021 ergänzen/ändern!

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  • Deine Anlage ist eine reine Einspeiseanlage, oder?


    Falls man wie heute üblich eine PV Anlage mit Eigenverbrauch betreibt reduzieren sich die Kappungsverluste noch weiter.


    Ideal sind auch Ost-West-Dächer. Hier kommt man (je nach Dachneigung) praktisch nie über die 70% Nennleistung.