Gelesen im HB vom 29.05.07
Nicht jeder scheint die aktuelle Klimadiskussion mitzubekommen. Bei Versicherungen findet sich bei ökologierelevanten Themen häufig ein Vakuum, auch Informationen werden meist vergeblich gesucht. Das Umdenken setzt nur langsam ein, doch manche Anbieter haben die Zeichen der Zeit bereits erkannt.
BERLIN. Der Klimawandel fordert von Versicherern ein besseres Risikomanagement und Produktinnovationen, um Verbrauchern und Wirtschaft den Klimaschutz zu erleichtern. „Doch deutsche Finanzmarktakteure stehen den Herausforderungen eher nachlässig und unbedarft gegenüber", sagt Professor Carlo Jäger vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Erstversicherer hätten zwar beispielsweise nach dem UnoWeltklimareport das Risiko erkannt. Allerdings gebe es „ein gefährliches Missverhältnis zwischen galoppierender Rhetorik, wie wichtig Klimaschutz sei, und der tatsächlichen Praxis“, urteilt der Klimaexperte.
Wer sich in Deutschland über klimaschutzrelevante Versicherungen informieren will, hat ein Problem. Denn Versicherungsvergleiche gibt es nicht. Mühsam müssen entsprechende Informationen selbst recherchiert werden. Die Zeitschrift Ökotest begründet ihre Abstinenz so: „Grundidee bei Versicherungen ist es, Kriterien, die das Risiko mindern oder erhöhen, vertraglich festzulegen. Da spielen Umwelt und Ökologie keine so große Rolle."
Eine Fehleinschätzung, wie unter anderem Fireman's Fund Insurance zeigt, eine US-Tochter der Allianz. Als bislang einziger Anbieter versichert er die Risiken ökologisch ausgerichteter Gebäude und alternativer Energieformen. Prämiennachlässe erhalten vom „Leadership in Energy & Environmental Design Programm (Leed)" zertifizierte Gebäude - weil ihre Risiken geringer sind, wie Fireman's erklärt. Eigentümer von Gewerbeimmobilien können im Schadensfall umweltfreundliche Alternativen wählen.
Kaputte Einfachverglasungen von Wohnimmobilien können durch Doppelverglasung ersetzt und die Häuser besser gedämmt werden, so dass sie weniger Kohlendioxid ausstoßen. Warum die Allianz eine solche Versicherung nicht auch in Deutschland anbietet, ließ sie auf Anfrage unbeantwortet.
Die Versicherungskammer Bayern (VKB) unterstützt bei der Wohngebäudeversicherung den Umweltschutz durch ein Ökosiegel. Photovoltaikanlage, Solaranlage mit oder ohne Wärmepumpe werden ohne Mehrbeitrag mitversichert. Wer ein Niedrigenergiehaus baut oder ein Gebäude mit Vollwärmeschutz versieht, erhält einen Energiespar-Nachlass. Es ist möglich, auch Bruch- und Frostschäden an Regenwassersammelanlagen, Verseuchung von Erdreich und die Wiederaufforstung von Bäumen mitzuversichern.
Die Provinzial Rheinland versichert seit kurzem auch Solaranlagen mit. Noch vor einem Jahr war das kaum möglich; sie weigerte sich vor allem beharrlich, Schäden durch Überspannung in Folge Blitzeinschlags mitzuversichern, nicht einmal gegen einen höheren Beitrag, wie Kunden berichten.
Einige Institute bieten technische Versicherungen für erneuerbare Energien. Die Basler Versicherungen, die sich hierbei zu den Top-10 in Deutschland zählen, versichert Photovoltaik-, Windkraft-, Biogas- und Biomasseanlagen und teils Geothermie. Schaden-, Unfall- und Lebensversicherungen sind aber weiterhin „klassisch" gestrickt. Die Münchener Rück betrat mit einer Versicherung für das Fündigkeitsrisiko bei der Bohrung für eine Geothermieanlage in Unterhaching Neuland.
Bei Kraftfahrzeugversicherungen gibt es selten Prämiennachlässe für schadstoffarme Autos. Die Direkt Line will nun aber das Interesse am „Klima-Killer Kohlendioxid“ als Wettbewerbsfaktor nutzen. Seit März bietet sie für Haftpflicht und Kasko einen „automatischen CO2-Rabatt" von zehn Prozent für elf Modelle mit dem niedrigsten CO2-Ausstoß. Dagegen hat der alternative Verkehrsclub Deutschland (VCD) zusammen mit der Deutschen Allgemeinen Versicherung seit Jahren ein Produkt, dessen Prämienhöhe sich am Verbrauch und am Schadstoffgehalt der Abgase orientiert. Ontos gewährt einen Nachlass von maximal fünf Prozent für Pkw, die einen Autogas- oder Erdgasantrieb haben oder deren Verbrauch im Durchschnitt sechs Liter auf 100 km nicht übersteigt.
Gerling gewährt Privatkunden niedrigere Prämien, sofern ihr PKW mit einem alternativen beziehungsweise Hybrid-Antrieb ausgestattet ist. Die Allianz gibt keinen Rabatt, hat aber ein „Ökopaket", das Zusatzkosten abdeckt, um nach einem Totalschaden ein umweltfreundlicheres Auto kaufen zu können. Die DEKV gewährt zwar keinen Öko-Rabatt, aber Bahncard-Besitzern einen Rabatt von zehn Prozent auf alle Pkw-Tarife - in der Erwartung, dass Zugfahrer ihr Auto weniger nutzen und weniger Schäden verursachen.
„Nur einzelne Versicherer steigen kompetent in den Markt ein“. urteilt der Potsdamer Klimaexperte Jäger. Der Analyst Dietrich Wild von der Ratingagentur Oekom Research kann sich da nur anschließen: „Die Branche zeigt sich wenig innovativ bei der umwelt- und klimaorientierten Produktentwicklung im Sachversicherungsgeschäft.“
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Auslandsprojekte
Entwicklungsländer: Neuartig ist die „Kyoto-Multi-Risk-Police“ der Münchener Rück. Sie sichert Investoren ab, die in Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern investieren.
Uno: Die Axa hat weltweit als erste Versicherung einen Schutz gegen Dürre und Armut entwickelt und in einem Vertrag mit dem Welternährungsprogramm der Uno 17 Millionen äthiopischer Bauern versichert. Falls der „Regenfall-Index“ in einem Jahr unter den historischen Durchschnitt fällt, wird Axa Re bis zu 7,5 Millionen Dollar zahlen.
Als Info gedacht.
Gruß,
Solarfarmer