Smart Meter im EEG: Das Kind liegt im Brunnen
von Markus Lohr und Fabian Zuber - 23.09.2020
Die EEG-Novelle sieht neue Regelungen zum Einbau von Smart Metern für Photovoltaik-Anlagen vor. Abwenden lässt sich die Zwangsbeglückung nicht mehr, denn der Pfad über kleinteilige Digitalisierung ist gesetzt.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) war bislang nicht als Treiber der Digitalisierung bekannt. Doch mit dem neuen Gesetzesentwurf für ein EEG 2021 sind die Smart Meter plötzlich in aller Munde. So sind eine Reihe von Regelungen vorgesehen, die für den Photovoltaik-Markt neue Zwangsbeglückungen mit den intelligenten Messsystemen vorsehen.
Das Branchenfeedback ist alles andere als positiv: Die Verbände sprechen von „unnötigen Hürden“, „unverhältnismäßig hohen Kosten“, einer Gefährdung für den wirtschaftlichen Anlagenbetrieb, einer „Konterkarierung“ für den Eigenverbrauch und einem Hemmnis für den Ausbau der Photovoltaik (PV). Der Pflichteinbau intelligenter Messysteme sei teilweise „vollkommen überzogen“, heißt es andernorts. Wie ist dieser Aufschrei aus Sicht der PV-Anlagenbetreiber zu bewerten?
Zunächst ist da der Vorschlag, die Bagatellgrenze für den Einsatz von Smart Metern von sieben auf einen Kilowatt zu senken. Energiewirtschaftlich scheint dies weder nachvollziehbar noch sinnvoll. Vielleicht könnte es den positiven Nebeneffekt haben, dem gängigen Kleindimensionieren von PV-Anlagen entlang künstlicher, regulatorischer Größengrenzen entgegenzuwirken, um Dachflächen voll auszunutzen. Aber so war es sicherlich nicht gemeint. Im Gegenteil: Es wird wenig Freude auslösen. Denn bezahlen dürfen die neuen Zähler jene, die neue PV-Anlagen errichten. Nun könnte man argumentieren, dass der PV-Markt deshalb nicht in die Knie gehen wird. Denn Anlagen unter sieben Kilowatt machen nur fünf Prozent der installierten PV-Leistung aus. Allerdings stehen dahinter 30 Prozent der neuen PV-Anlagen. Diese Regelung würde also jeden dritten potenziellen PV-Betreiber treffen. Eine Herabsetzung der Einsatzgrenze für Smart Meter macht daher keinen Sinn.
Kopfschütteln am Zählerschrank
Zudem ist schwer nachvollziehbar, warum der Regulator ein komplexes Durcheinander bei der Einbauverpflichtung veranstaltet. Mal wieder wird an Berliner Schreibtischen neue Bürokratie geschaffen, die in der Praxis am Zählerschrank nur Kopfschütteln auslösen wird. Alte Anlagen im Bestand sollen weiterhin erst ab sieben Kilowatt Smart Meter bekommen. Anlagen, die nach 20 Jahren aus der Vergütung fallen, sollen zukünftig einen Smart Meter bekommen, wenn sie auf Eigenversorgung setzen – egal ab welcher Größe. Neuanlagen werden aber in Zukunft schon ab einem Kilowatt einen Smart Meter bekommen, so für sie die „technische Machbarkeit“ gegeben ist. Wann welche Anlage unter welcher Bedingung also in der Zwangsverpflichtung landet, wird immer undurchsichtiger. Dabei war und ist eines der größten Probleme des Smart-Meter-Rollouts, dass niemand so richtig durchblickt, was eigentlich bis wann zu tun ist.
Funfact am Rande: Ausgerechnet die Oldtimer unter den Photovoltaikanlagen, die einst von den Pionieren der Energiewende errichtet wurden, sollen auf ihre alten Tage als erste ins digitale Zeitalter katapultiert werden. So verkommt der Smart-Meter-Rollout bei Post-EEG-Anlagen zur reinen Symbolpolitik. Es geht hier jedenfalls nicht mehr um den energiewirtschaftlichen Sinn. Denn es hat schlichtweg keinerlei Systemrelevanz, wenn demnächst 6.000 Kleinstanlagen nachgerüstet werden müssen. Das ist, als würde man die Smart-Meter-Pflicht bei Verbrauchern ausrufen, weil ein energieeffizientes Staubsaugermodell auf den Markt kommt. Denn dies könnte ja die veralteten Standardlastprofile verfälschen und zu Bilanzierungsproblemen führen.
Symbol für die derzeitige Schieflage
Betreiber von Post-EEG-Anlagen sind aber auch in anderer Hinsicht ein Symbol für die derzeitige Schieflage in der Energiepolitik. Das Datum des Auslaufens der Vergütung war seit dem Jahr 2000 bekannt. Trotzdem hat man es verpasst, den Pionieren der Energiewende rechtzeitig Klarheit zu verschaffen.
Der zweite Weg ist der Umstieg auf Eigenversorgung. Hier wird dann der Einbau von Smart Metern nötig. Für die Betreiber kleiner Anlagen unter sieben Kilowatt bedeutet das erhöhte Zählerkosten. Zudem muss in vielen Fällen der Zählerschrank umgebaut werden, was für viele zusätzlich vierstellige Kosten bedeutet. Offen ist auch, wo sie innerhalb weniger Tage zwischen dem Gesetzesbeschluss und dem Jahresbeginn 2021 ein zertifiziertes intelligentes Messsystem herbekommen sollen. Unterm Strich bleibt die Frage, warum eine bestehende Klimaschutz-Infrastruktur von der Politik so wenig wertgeschätzt und die Gefahr des Rückbaus von PV-Anlagen in Zeiten der Klimakrise offen in Kauf genommen wird.
Der Kurs ist längst eingeschlagen
Eine der großen Unwägbarkeiten, die das neue EEG schließlich mit sich bringt, ist der Umgang mit der Steuerbarkeit von Photovoltaikanlagen. Hier könnte es teuer werden. Für steuerbare PV-Anlagen, die in Zukunft einen Smart Meter bekommen sollen, gibt es zwei mögliche Interpretationen. Entweder wird die Steuerbarkeit über die sogenannten Tarifanwendungsfälle der intelligenten Messinfrastruktur abgewickelt. Dann gilt die bisherige Preisobergrenze für die neuen Zähler. Das ist teuer, aber zumindest gedeckelt. Wenn aber die Steuerbarkeit marktseitig als Zusatzleistung interpretiert werden kann, für die die Preisobergrenze nicht gilt, dann würde dies abermals die Kostenstrukturen der Solarbetreiber sprengen. Hier braucht es Klarheit zugunsten einer preislichen Deckelung der Zusatzkosten.
So oder so bleibt unterm Strich der Eindruck, dass der Regulator wenig dafür tut, die Vorfreude der Solarbetreiber auf die Smart-Meter-Pflicht zu steigern. Der Aufschrei der Branche ist daher nachvollziehbar. Die Gesetzesvorschläge sind aber gleichzeitig wenig überraschend. Denn der Gesetzgeber hat seit 2016 eindeutig den Kurs eingeschlagen, die Digitalisierung über kleinteilige Smart Meter umzusetzen. Und er lässt trotz aller Bedenken auch nicht von diesem Plan ab. Für Solaranlagenbetreiber hat dies noch nie Sinn gemacht und auch energiewirtschaftlich gäbe es sicherlich günstigere und effizientere Möglichkeiten einer digitalen Netzsteuerung. Auch wenn die Absage des Smart-Meter-Rollouts also aus Sicht der Solaranlagenbetreiber die beste Nachricht wäre, ist dies in Anbetracht der politischen Realitäten schlicht unrealistisch. Der Pfad ist gesetzt – und wird mit der EEG-Novelle weiterverfolgt. Wer sich nun darüber beklagt, sollte sich klar machen, dass das Kind schon längst in den Brunnen gefallen ist.
Veröffentlicht unter https://bizz-energy.com/exklus…das-kind-liegt-im-brunnen