Wechselrichter werden üblicherweise bewusst etwas unterdimensioniert, d.h. die Auslegung der PV-Leistung beträgt >100% bezogen auf die nominale DC-Wechselrichterobergrenze gemäß Datenblatt.
Um das zu verstehen, muss man etwas ausholen:
Man muss grundsätzlich unterscheiden, ob man eine energieoptimierte oder eine wirtschaftlich optimierte Anlage möchte. Aber selbst bei einer energieoptimierten Anlage gilt nicht immer die Dimensionierung "maximal 100%" (also PV-Leistung maximal DC-Wechselrichterleistung) als wirklich optimal - hier hängt es von der Wirkungsgradkennlinie des jeweiligen Wechselrichters ab, denn die weitaus dominante Wechselrichter-Betriebszeit über befindet sich die Anlage in Teillast (20-50% Nennleistung), und vor allem im unteren Teillastbereich arbeiten viele Wechselrichter nicht mehr ganz so effizient. In solchen Fällen macht eine Unterdimensionierung des Wechselrichters sogar in einer energieoptimierten Anlage Sinn, weil der Teillastbereich zu höheren Systemspannungen und dann hier zu höheren Wirkungsgraden hin verschoben wird.
Wenn man aber die wirtschaftlich optimierte Lösung sucht, dann ist so eine Unterdimensionierung schon fast Pflicht. Wechselrichterhersteller empfehlen diese Unterdimensionierung durchaus aus der Erkenntnis heraus, dass der Kunde in der Regel nur dann mehr für seine Anlage bezahlen will, wenn er auch einen mindestens entsprechenden Nutzen hat. Und genau das ist bei einer 100%-Auslegung nicht der Fall. Wirtschaftlich optimiert ist eine Anlage dann, wenn der Verlust (durch Kappung der Leistungsspitzen im Tages- und Jahresverlauf) deutlich geringer ist als der Gewinn durch günstigere Anlagenkosten.
Der führende Wechselrichterhersteller SMA hat vor Jahren eine ausführliche theoretische Untersuchung zum Thema "Wechselrichterdimensionierung" durchgeführt (bei Interesse kann ich diese gerne zur Verfügung stellen). Darin wird durch Simulation demonstriert, dass selbst bei einer sehr krassen Unterdimensionierung von 200% (PV-Leistung doppelt so hoch, so dass fast täglich die DC-Spitzen massiv gekappt werden!) in unseren Breiten immer noch 83% der möglichen Energie genutzt und gewandelt wird. Bei einer Unterdimensionierung des WR von 20% erreicht man unter diesen Umständen bereits 99,3% des Maximalertrags. Um dem Kunden unnötige Kosten durch größere Wechselrichter zu ersparen, die letztlich nur einen Mehrertrag im Promillebereich ermöglichen (was in keinem vernünftigen Verhältnis zu den Zusatzkosten steht), werden die Wechselrichterauslegungen in der Regel im Bereich 110-120% vorgenommen. Die Firma Fronius setzt in ihrer Auslegungssoftware den optimalen Wert bei 114% an und erlaubt häufig (abhängig vom Modell) bis 123%.
Eine Grob-Plausibilisierung in einem konkreten Fall:
Bei einer 9,9 kWp-Anlage (DC-PV-Nominalleistung 9,9 kW) kann der Wechselrichter Fronius IGplus 100 ausgangsseitig 8,1 kWp AC oder dividiert durch den Umwandlungswirkungsgrad 8,5 kWp DC übertragen. Das entspricht einer durchaus noch vernünftigen Unterdimensionierung von 116%. Über den Daumen gepeilt kann man damit eine obere Grenze für den Ertragsverlust folgendermaßen abschätzen:
9,9 kWp werden lediglich an idealen Tagen lediglich um die Mittagszeit herum erreicht. Dabei muss der Himmel unbewölkt und klar sein, die Lufttemperatur aber niedrig. Der Nominalwert der Module (STC-Wert) wird bei 25°C Zelltemperatur ermittelt, was selbst im Winter bei Sonneneinstrahlung nicht mehr gegeben ist (man darf nicht vergessen, dass selbst bei SunPower-Modulen mit 20% Wirkungsgrad ganze 80% der eingestrahlten Leistung in Wärme in der Solarzelle gewandelt werden!). Man verliert also an so einem idealen Tag grob 1 h x 1,4 kW=1,4 kWh; das absolute Peakleistungsplateau ist streng genommen nur kurz vorhanden, deshalb stellt diese Abschätzung eher eine Obergrenze dar. Solche Tage kommen vielleicht maximal 30mal im Jahr vor. Dann sind das 42 kWh im Jahr Verlust - bei einem in Baden-Württemberg bei einigermaßen vernünftiger Dachausrichtung durchschnittlichem Jahresertrag von 10.000 kWh entspricht der Verlust also maximal 0,4% (leicht zu kompensieren durch höhere Auslastung im Teillastbetrieb)!
Diese Leistungsbegrenzungen an schönen Tagen sehen natürlich nicht schön aus, wenn man sie im Tagesverlauf anschaut (Datalogger). Das ist aber eher ein kosmetisches oder psychologisches Problem. Die tatsächliche Beeinträchtigung des Ertrags spielt sich selbst bei 20% Unterdimensionierung im Promillebereich ab. Und für diese wenigen zusätzlichen kWh über 20 Jahre hinweg wird ein wirtschaftlich denkender Mensch nicht bereit sein, mehrere hundert Euro zusätzlich im Rahmen der Anlageninstallation zu investieren. Somit geht eine unterdimensionierte Anlagenauslegung von 10% oder mehr durchaus völlig in Ordnung.
Eigene Erfahrungswerte:
Nachdem meine PV-Anlage in 2010 mehr als ein Jahr lief und ich mit meinem Datalogger alle Tagesdaten verfügbar habe, analysierte ich aus Neugierde mal die realen Daten eines kompletten Betriebsjahrs und berechnete daraus, wieviel man real verliert, wenn der Wechselrichter tatsächlich unterdimensioniert ist. Dazu kappte ich alle Daten aus dem Datalogger zur Verlustanalyse künstlich auf verschiedenen Leistungsstufen (gemäß gewünschter simulierter Unterdimensionierung des Wechselrichters). Hier das Ergebnis:
Rasterung der Daten: 5 Minuten
Datenumfang: 1. August 2009 bis 31. Juli 2010
Erfasster Ertrag am Datalogger: 4.813,22 kWh
Berechneter Ertragsverlust bei:
Wechselrichterunterdimensionierung 110%: 04,62 kWh --- 0,096%
Wechselrichterunterdimensionierung 115%: 14,80 kWh --- 0,307%
Wechselrichterunterdimensionierung 116%: 17,22 kWh --- 0,358%
Wechselrichterunterdimensionierung 120%: 33,06 kWh --- 0,687%
Wechselrichterunterdimensionierung 200%: 849,7 kWh --- 17,65% ("100%-Unterdimensionierung")
Erstaunlich, wie gut das Ergebnis mit meinen obigen Grobabschätzungen sowie mit der oben zitierten SMA-Studie zusammenpasst (s.u.: 200% => 83% Ertrag, 120% => 99,3%)!
Fazit:
Selbst eine Dimensionierung mit 120% (deutlich sichtbare Kappung der Mittagsspitzen um bis zu 20%) ergibt lediglich einen Verlust von deutlich weniger als 1%. Eine vernünftige Unterdimensionierung im Bereich von 115% ist mit Verlusten von lediglich 0,3-0,4% des Maximalertrags praktisch nicht spürbar. Dafür würde ich zumindest nicht mehrere hundert Euro Aufpreis für einen auf 100% statt 116% dimensionierten Wechselrichter bezahlen wollen. Einen Teil kompensiert der Wechselrichter zudem ja durch eine bessere Auslastung in Teillast, also im weitaus dominierenden Betriebszustand einer Anlage.
Die Kappung der Tagesverlaufsspitze ist hauptsächlich ein psychologisches, kein finanzielles Problem.
Nachtrag:
An anderer Stelle in diesem Forum gehe ich auf die Frage ein, wann es für eine Anlage <30kWp Sinn macht, die 70%-Begrenzung zu wählen und wann eher das vereinfachte Netzmanagement geboten ist (einfach suchen nach Beiträgen von funwithsolar :wink: ).