Ausgangspunkt:
Ich habe eine Anlage mit 16 Modulen und 6kWp Nennleistung an einem Plenticore Plus 5.5. Bedingt durch die Waldlage habe ich bis etwa 11 Uhr diffuse Schatten von Birken, die östlich und südöstlich des Hauses stehen. Abends beginnen die Gaube und Bäume im Westen Schatten auf die benachbarten Module der unteren Reihen zu werfen.
Der Solateur hat die 16 Module in zwei Strings aufgeteilt, einen mit neun und einen mit sieben Modulen. Der lange String enthält vier Tigo-Optimierer, der kurze einen. Die Optimierer befinden sich an den drei Modulen entlang der Gaube und an den anderen beiden unteren Modulen, also dort, wo besonders viel Schatten fällt (hat jemand im Bereich 38518 einen Tigo-CCA zu verleihen?).
Ich hatte in der Planungsphase eingeworfen, dass der Wirkungsgrad des Wechselrichters laut Datenblatt höher sei, wenn man nur einen lagen String nutzen würde. Das wurde ohne Angabe von Gründen verneint, und ich habe nicht weiter nachgebohrt, weil ich ja im Hauswirtschaftsraum aus den beiden Strings einen langen String stecken kann.
Für mich stellte sich jetzt die spannende Frage, wie groß der Unterschied ist zwischen einen langen oder zwei kurzen Strings.
Was spricht für einen langen String:
- höherer Wechselrichter-Wirkungsgrad
- Bei Verschattung eines oder zweier Module ist der relative Spannungseinbruch nicht so groß und die Anlage kann Leistung erzeugen, wo bei zwei kurzen Strings schon einer ausfällt.
Was spricht für zwei kurze Strings:
- Bei stark unterschiedlicher Verschattung können die zwei MPPTs deutlich verschiedene Ströme stellen und damit Leistung retten (Abbildung 2).
- Bei zwei Strings liegt die untere MPPT-Grenze bei Nennleistung nur bei der Hälfte der Spannung, die bei einem String gilt: Gerät ist ein Kostal Plenticore Plus 5.5, die Spannung bei Nennleistung im Ein-Tracker-Betrieb beträgt 450...720V, im Zwei-Tracker-Betrieb beträgt sie 225...720V.
Wissen durch Messen
Gewissheit gibt es nur durch Messung. Aber wie? Die Erträge variieren von Tag zu Tag so sehr, dass ein direkter Vergleich nicht möglich ist. Lösungsansatz: Westlich der Gaube sitzt ein Balkonkraftwerk. Dieses hängt an einer Fritz!DECT-Steckdose mit Verbrauchsmessung. Es kann für jede Anlage die tägliche Anzahl der Nennlaststunden (kWh/kWp) berechnet werden. Der Quotient aus den Nennlaststunden von großer Anlage zu kleiner Anlage gibt an, wie gut die Anlagen relativ zueinander arbeiten. Eine 1 bedeutet, dass die große Anlage bezogen auf die Nennleistung so gut ist wie die kleine. Ein Quotient größer 1 bedeutet, dass die große Anlage besser war und kleiner 1, dass sie schlechter war.
Im Hinterkopf muß man dabei halten, dass die große Anlage mit einer weichen 70%-Begrenzung arbeitet und dies nur teilweise durch den 5,12kWh-Speicher kompensiert wird. Auch ist die Verschattung durch die südöstlichen Bäume bei der großen Anlage stärker.
Wenn jede Konfiguration einige Tage gemessen wird bekomme ich hoffentlich aussagefähige Ergebnisse, die einen deutlichen Einfluß der Stringlänge auf den gemittelten Quotienten zeigen.
Meßdaten:
Es existieren 22 Datensätze für zwei kurze String und 14 Datensätze für einen langen String (Abbildung). Bei einer ersten Betrachtung fällt auf, dass die Verhältnisse bis auf Ausnahmen kleiner sind als 1. Dies ist in (Abbildung) gut zu sehen – an den meisten Tagen streuen die Zahlen um etwas über 0,9, die große Anlage hat also bezogen auf ihre Nennleistung gesehen knapp 10% weniger Ertrag. Dies gilt für beide Konfigurationen, also mit einem langen wie auch zwei kurzen Strings.
Weiter fällt auf, dass es Tage gibt, an denen das Verhältnis deutlich oberhalb von 1 liegt. Bei näherer Betrachtung ist erkennbar, dass dies an Tagen ist, die insgesamt einen recht niedrigen Ertrag hatten. Die Folgerung ist, dass die große Anlage mit schwachen Lichtverhältnissen erheblich besser umgehen kann als die kleine. Da nicht genug solcher lichtschwachen Tage vorliegen, kann keine Aussage getroffen werden, welche Konfiguration hier besser abschneidet. Es sollten ähnlich Messungen im Winter vorgenommen werden, um hier eine Aussage treffen zu können.
Im letzten Bild ist das Ertragsverhältnis aufgetragen über dem Ertrag der kleinen Anlage. Hier ist gut erkennbar, dass beide Stringlängen sich vergleichbar verhalten – ab einem Tagesertrag von zwei Nennleistungsstunden haben beide Konfigurationen vergleichbare Erträge. Unterhalb dieses Tagesertrags steigt bei beiden Konfigurationen das Verhältnis zu Gunsten der großen Anlage sichtbar an; es fehlen aber genug Datenpunkte, um hier eine Aussage zu treffen, welche Konfiguration besser ist.
Schlußfolgerungen:
- Die Stringlänge zeigt für meine Anlage keinen deutlich sichtbaren Einfluß auf den Ertrag. Es kann nicht pauschal gesagt werden, dass ein langer statt zwei kurze Strings bessere Erträge erzeugt, es spricht aber auch nichts gegen einen langen statt zwei kurze Strings.
- Die große Anlage zeigt in beiden Konfigurationen nennleistungsbezogen einen geringeren Ertrag als das Balkonkraftwerk. Dies kann an den oben genannten Gründen liegen, möglicherweise arbeiten die TIGO-Optimierer mit der ausgelieferten Software auch nicht optimal.
- Bei sehr niedriger Einstrahlung verliert das Balkonkraftwerk deutlich an Leistung. Der Wirkungsgrad des Mikrowechselrichters scheint im unteren Leistungsbereich stark nachzulassen.
(Vielleicht ist mein Ergebnis für hgause interessant).