Hallo in die Runde,
seit langem ist es ja immer wieder ein Thema, wann genau ein Speicher lohnt und wann man das Opfer von Schönrechnerei wird. Oft gibt es dann abenteuerliche Rechnungen.
Ich logge seit über einem Jahr alle zwei Minuten die Zählerstände von Produktion, Import und Export. Damit existiert ein sehr genaues Verbrauchsprofil meiner Anlage (4 Personen, Heizung mit WP, 12,6 KWp PV), das sich natürlich anbietet, um diverse Speicherszenarien zu simulieren.
Dazu habe ich 260722 Datensätze vom 1.8.2019-31.7.2020 (einige Stunden sind einem Speicherkartenfehler zum Opfer gefallen, aber natürlich sind die betreffenden Zeiträume grobgranularer trotzdem dabei) und daraus nun eine riesige Tabelle gebaut.
Der Ansatz funktioniert so: In einem solchen Fenster von 2 Minuten wird berechnet, wieviele Wh erzeugt, exportiert und importiert wurden. Es ist möglich, dass es Export und Import gibt - schwankende Lasten in den zwei Minuten erzeugen solche Effekte. Damit wird dann folgende Strategie umgesetzt: Wenn der Speicher noch nicht voll ist, wird er geladen. Obere Grenze der Ladung ist der aktuelle Export (es wird also nur mit PV-Strom geladen) und natürlich gibt es eine einstellbare Grenze für die Ladeleistung. Gibt es Bezug in diesen zwei Minuten und der Speicher ist nicht leer, dann wird so entladen, dass der Bezug auf Null sinkt (sofern die Grenze der Entladeleistung nicht erreicht wird und der Akku ausreichend voll ist). Damit ist dann für diese zwei Minuten bekannt, wieviel in den Akku rein- und rausgeht. Sofern die begrenzte Lade/Entladeleistung und die Kapazität des Speichers dem nicht im Wege steht, wird also rechnerisch versucht, Import und Export auf Null zu bringen.
Das wird dann für alle 260722 Datensätze wiederholt und am Ende aufaddiert. Damit kann ich dann mit quasi beliebigen Parametern simulieren, welchen Effekt ein Akku mit bestimmten Eigenschaften bei mir gehabt hätte.
Ausgangslage ohne Speicher:
Import: 3199,5 KWh
Export: 9602 KWh
Produktion: 11881,2 KWh
Eigenverbrauch: 2279,1
Gesamtverbrauch: 5478,6 KWh
Autarkie: 41,6% (Eigenverbrauch/Gesamtverbrauch)
EV-Quote: 19,1% (Eigenverbrauch/Produktion)
Auf dieser Basis habe ich für verschiedene Speichergrößen simuliert. Variiert habe ich die Kapazität von 500Wh bis 10 KWh in 0,5 KWh-Schritten. Lade- und Entladeleistung habe ich mit 0,5C angesetzt, ein 4 KWh-Akku wird also mit maximal 2 KW be- oder entladen. Die Effizienz beim Laden und Entladen habe ich jeweils mit 0,95 angesetzt. Von einer KWh landen also 950Wh im Akku und 1 KWh aus dem Akku liefert 950 Wh an den Verbraucher. Diese Parameter sind alle einstellbar, ich kann also beliebige Settings simulieren.
Am Ende steht dann die Wirtschaftlichkeitsberechnung... und die ist echt grausam.
Ich zeige sie am Beispiel des Akkus mit 4 KWh:
Hier haben wir nun:
Import: 2056 KWh (1143,5 weniger als ohne Akku)
Export: 8332,8 KWh (1269,3 weniger als ohne Akku)
Eigenverbrauch im Sinne "nicht eingespeist": 3548,4 KWh (1269,3 mehr)
echter Eigenverbrauch: 3422,6 KWh (1143,5 mehr)
Produktion und Gesamtverbrauch sind natürlich unverändert.
Autarkie: 62,4%
EV-Quote: 28,8%
(beide mit dem gerechnet, was real verbraucht wurde, die Speicherverluste sind nicht als Verbrauch gezaehlt).
Der Speicherdurchsatz (also was in den Akku rein und wieder rausging) lag bei 1205 KWh (die Differenz zu obigen Werten liegt wiederum an den Verlusten). Damit haben wir - gemessen an den 4 KWh Kapazität - also 301 "Zyklen" realisiert.
Der Unterschied im Eigenverbrauch und echtem Eigenverbrauch liegt in den Speicherverlusten. Die resultieren natürlich in weniger Einspeisung, ohne dass das dann beim Verbraucher ankommt.
Weitere Parameter sind:
Bezugsstrom kostet 25,62 Cent/KWh
Mischvergütung: 11,86 Cent/KWh
Umsatzsteuer auf Bezugsstrom: 4,09 Cent/KWh
Damit können wir den "Gewinn" ausrechnen:
Wir haben 1143,5 KWh Bezug gespart, also 292,96 Euro.
Dazu haben wir 1269,3 weniger eingespeist, also 150,54 Euro verloren
Wenn wir nicht die Kleinunternehmerregelung nutzen, müssen wir für die 1143,5 KWh Eigenverbrauch auch noch Umsatzsteuer zahlen, also 46,77 Euro. Die Einkommenssteuer vernachlässigen wir hier, weil der da anzusetzende Wert im Vergleich zur Einspeisung statt Speicherung in etwa gleich ist.
Somit beträgt der Gewinn mit Kleinunternehmerregelung 142,42 Euro. Ohne Kleinunternehmerregelung sind es 95,65 Euro.
Wenn wir annehmen, dass der Speicher 10 Jahre leben soll und wir zumindest nicht zuzahlen wollen, darf er also maximal 1424,20 bzw. 956,5 Euro kosten. Das bedeutet also höchstens 356 bzw. 239,15 Euro pro KWh.
Insgesamt ist das natürlich idealisiert, insbesondere wird man die Nullregelung beim Laden und Entladen real nicht so genau hinbekommen. Auf der anderen Seite kann man aber durch 70weich vermutlich etwas mehr laden, als ich das simulieren kann, weil ich ja nur die Zahlen des 70weich abgeregelten Systems habe. Das dürfte aber nicht so arg viel sein.
Insgesamt ergeben sich damit die folgenden Kurven (Autarkie und Eigenverbrauchsquote in Promille, damit die Skalen gut passen):
Ohne Kleinunternehmerregelung (also mit abgeführter Umsatzsteuer auf Eigenverbrauch):
Mit Kleinunternehmerregelung (also ohne abgeführte Umsatzsteuer auf Eigenverbrauch)
"Kosten/KWh" meint hier den Preis in Euro, den eine KWh des Speichers kosten darf, damit man bei obigen Parametern nach 10 Jahren auf NULL kommt. Nicht eingeplant, weil unvorhersagbar, sind Strompreiserhöhungen und Defekte.
Was denkt ihr?
Mein Fazit angesichts dieser Simulation: Interessant wird es erst, wenn die Speicherpreise DEUTLICH unter die gelbe Kurve fallen. Ich habe den Markt die letzten Monate nicht sehr aufmerksam verfolgt, aber ich vermute mal, dass wir inkl. WR und Montage davon noch weit entfernt sind.
Falls jemand Interesse hat, kann ich auch für eine festgehaltene Speicherkapazität mal die Lade- und Entladeleistung variieren. Die spielt aber natürlich nur im unteren Leistungsbereich eine relevante Rolle.
Viele Grüße,
Jan