Schattenmanagement und Optimierer - was sie können und was sie nicht können

  • Hallo allerseits,


    nachdem ich gefühlt hundert Mal die gleiche Erklärung in x Threads geschrieben habe, möchte ich das hier mal im Block posten. Kommentare, Korrekturen und Ergänzungen sind herzlichen willkommen, spezifische Probleme irgendwelcher Anlagen bitte nicht hier, sondern im passenden Thread.


    Es soll um das immer wieder aufploppende Thema "Schattenmanagement" sowie Optimierer gehen und deren Eignung für verschiedene Problemstellungen. Um das ganze anschaulicher zu machen, will ich ein stark vereinfachtes Beispiel (bzw. deren zwei) benutzen:


    Anlage A besteht aus 20 Modulen in einem String, von denen 2 verschattet sind. Wir nehmen an, dass die nicht verschatteten Module unter irgendwelchen Bedingungen ihren MPP bei 30V 8A haben, während die verschatteten Module ihn bei 30V 1A haben. Das ist natürlich stark vereinfach, soll aber für den Zweck der Erklärung ausreichen.


    Anlage B besteht ebenfalls aus 20 Modulen in einem String, aber von denen sind jeweils 10 anders ausgerichtet oder geneigt. Sowas würde man normalerweise ja nicht in einem String bauen, aber gerade Optimierer werden gerne (auch falsch!) verwendet, um genau das zu tun. Wir nehmen hier an, dass 10 Module gerade sehr viel Sonne (z.B. senkrecht) bekommen und den MPP bei 30V 8A haben, während die anderen 10 Module aktuelle die schwächere Ausrichtung sind und das Licht z.B. von der Seite bekommen - MPP nehmen wir bei 30V 4A an.


    Im Folgenden will ich auf diese beiden Anlagen einfach nur referenzieren. Natürlich würde niemand Anlage B so bauen, sondern 2 Strings draus machen, aber wie schon gesagt, soll es hier um den sinnvollen Einsatz von Optimierern gehen.


    Bei Optimierern unterscheiden wir zwischen SolarEdge (SE) und Tigo (derzeit von SMA). Der Unterschied ist, dass SE alle Module mit Optimierern ausstattet und nur mit einem speziellen Festspannung-WR funktioniert, während man bei Tigo nicht alle Module ausstatten muss und irgendeinen WR nehmen kann. Von SE gibt es auch eine Variante für Fremd-WR, aber im Sinne der Betrachtungen dieses Threads verhält sie sich (oder sollte sich verhalten) wie die Tigo-Lösung.


    Soviel als erstes... die Inhalte folgen als extra Posts.


    Viele Grüße,


    Jan

  • Schattenmanagement


    Normalerweise sucht ein MPPT (MPP-Tracker) den Punkt, an dem der String die maximale Leistung gibt. Von da aus "schaut" er immer mal wieder nach oben und unten (Spannung), ob es da besser aussieht. Grosses Risiko ist, dass man dabei in einem "lokalen Maximum" hängen bleibt.


    Nehmen wir unsere Anlage A. Sie hat eine Leerlaufspannung irgendwo deutlich über 600V und wenn der MPPT von da aus Last anlegt, sinkt diese Spannung ab, bis wir bei 600V 1A landen. Die 600V sind die Reihenschaltung unserer 20 Module, die 1A der in der Reihenschaltung bestimmende Strom. Wir haben also 600V. Drückt man die Spannung nun leicht nach unten, landet man bei z.B. 595V 1A... das war also die falsche Richtung. Nach oben sinkt der Strom deutlich, während die Spannung steigt -> Leistung sinkt. Der MPPT könnte also "vermuten", dass wir im MPP sind.


    Sind wir aber nicht!


    Drücken wir die Spannung immer weiter, so bleibt der Strom erstmal bei 1A. Die schwächsten Moduldrittel werden dadurch nach und nach "kurzgeschlossen", während die Bypassdioden sie quasi überbrücken. Irgendwann haben wir die beiden Schattenmodule zusammengedrückt. Das passiert bei 540V und nun plötzlich 8A. Damit haben wir 4320W, was natürlich viel mehr ist als die 600 von vorhin. Gehen wir weiter runter, wird es weniger, weiter hoch haben wir wieder 1A, also auch wieder weniger. Das wäre also das globale Maximum.


    Genau so funktioniert Schattenmanagement - es blendet gewissermassen die verschatteten Module aus, indem es ab und zu nach dem globalen Maximum sucht.


    Unser Verlust ist der Ertrag der beiden Module... das 2 x 30V x 1A = 60W. Statt 4380W ernten wir also "nur" 4320W. Ohne Schattenmanagement hätten wir nur 600W.


    Viele Grüße,


    Jan

  • Funktion eines Optimierers

    Ein Optimierer ist ein DC-DC-Wandler. Er kann also aus einer Gleichspannung eine andere machen. Aus Gründen der Vereinfachung nehmen wir dabei eine verlustlose Wandlung an, in Wahrheit geht da ein klein bisschen (1%?) verloren.


    Damit kann man den Strom eines Moduls an den Stringstrom anpassen, indem man entsprechend hoch- oder runtersetzt.


    Hier unterscheiden sich die beiden Techniken:


    Tigo (oder SE an einem Fremd-WR) kann nur nach unten korrigieren, wobei es einen maximalen Strom gibt (IMO 15A, aber das müsste man im Datenblatt des betreffenden Optimierers nachschauen). Der Optimierer kann also 30V 4A in 15V 8A wandeln. Der umgekehrte Weg ist nicht möglich: Aus 30V 8A kann der Optimierer nicht 60V 4A machen.


    SE kann das, wobei die Spannung Grenzen hat. Wenn ich mich recht entsinne (Datenblatt!), war das 60V bei den Optimierern für ein Modul und 85V bei denen für 2 Module. Der Einfachheithalber betrachten wir hier die Variante mit 60V.


    Tigos baut man einfach in den String ein und es gelten die normalen Regeln zu Mindest- und Höchstspannung im String. Bei SE benötigt der WR zwingend eine Festspannung, die bei einem einphasigen System 350V und bei einem dreiphasigen System 750V beträgt. Da jeder Optimierer maximal 60V bereitstellen kann, ergibt sich damit die Mindestanzahl im String. Das Maximum ergibt sich wiederum durch den zulässigen Strom (15A) bei der entsprechenden Festspannung. Je weniger Module es sind, desto weniger "Luft" haben die Optimierer, weil sie nicht zu weit mit der Spannung nach unten können.


    Viele Grüße,


    Jan

  • Nee, nicht schon wieder.

    Das ist ermüdend.

    Ich fomuliere mal den Standpunkt von smoker59 mit den Worten von pflanze :

    Ja zum Schattenmanagement, nein zu Optimierern.


    Dass Optimierer theoretisch ne Menge mehr können als ein Schattenmanagement sollte klar sein.

    Und damit ist nicht die Einzelmodulüberwachung gemeint.

    Es muss nur richtig funktionieren.

  • Optimierer und Schatten


    Bauen wir nun Optimierer in unsere Anlage A ein.


    Tigo: Es reichen 2 Stück an den Schattenmodulen. Die übrigen Module geben den Strom von 8A vor, der im String einheitlich sein muss. Also müssen die Optimierer (wenn sie optimal funktionieren) auf diese 8A gehen. Sie haben 30W (30V x 1A) zur Verfügung, also müssen sie auf 3,75V 8A umsetzen. Damit ergibt sich im String eine Spannung von 18 x 30 + 2 x 3,75 = 547,5V. Das ergibt bei 8A eine Leistung von 4380W.


    Gegenüber dem Schattenmanagement haben wir also 60W "gerettet".


    SE (Optimierer an alle Module): Hier rechnen wir rückwärts am Beispiel eines dreiphasigen Systems. Wir brauchen 750V und wir haben 4380W. Wir brauchen also 5,84A in der Reihenschaltung. Um das zu erreichen, muss ein Modul mit Sonne seine 240W (30x8) mit diesem Strom bereitstellen, es muss also umsetzen auf 41,1V. Ein Modul mit Schatten muss sein 30W auf diesen Strom bringen, es setzt also um auf 5,1V. Zusammen haben wir (gerundet) 18 x 41,1 + 2 x 5,1 = 750V mit dem genannten Strom.


    Auch hier retten wir also unsere 60W der verschatteten Module im Vergleich zum Schattenmanagement.


    Gegenüber einem WR ohne Schattenmanagement (der schaffte ja nur 600V x 1A = 600W) haben wir 3780W gewonnen...


    Viele Grüße,


    Jan

  • Unterschiedliche Ausrichtungen: Einführung

    Als nächstes nun die unterschiedlichen Ausrichtungen, also Anlage B. Anlage B liefert 10 x 30 x 8 + 10 x 30 x 4 = 3600W - schauen wir mal, wie viel wir davon mit den unterschiedlichen Ansätzen nutzen können.


    Zuerst betrachten wir naive Ansätze, ehe wir uns den Optimierern zuwenden.


    Wenn wir OHNE Schattenmanagement arbeiten, dann liegt der MPP bei 600V 4A. Das sind 2400W, wir verschenken also 1200W, also immerhin ein Drittel von dem, was die Anlage liefert.


    Mit Schattenmanagement könnte man noch einen zweiten MPP finden bei 300V 8A, allerdings liefert dieser in unserem Beispiel ebenfalls 2400W und hat somit den gleichen Verlust - hier sind dann nur die starken Module tätig.


    Wäre der schwache Teilstring schwächer als die genannten 4A, dann wäre 300V 8A das globale Optimum, bei >4A würden wir bei 600V und dem entsprechenden Strom landen.


    Wir haben also massive Verluste, weshalb man sowas nicht baut.


    Viele Grüße,


    Jan

  • Unterschiedliche Ausrichtungen: Optimierer


    Als letztes kommen nun wieder die Optimierer ins Spiel und die verschiedenen Möglichkeiten, damit etwas zu bauen, was nicht funktioniert.


    Fangen wir dieses Mal mit SE an. Da bekommen alle Module einen Optimierer. Wir haben 3600W und wir wollen 750V, also brauchen wir 4,8 A. Damit das klappt, müssen die starken Module auf 240/4,8=50V umsetzen und die schwachen Module auf 120/4,8=25V. Damit haben wir 10x50+10x25=750V und wir haben die vollen 3600W von Anlage B benutzt.


    Nun Tigo... wir installieren Optimierer an ALLEN Modulen. Der Stringstrom von 8A ist durch die starken Module vorgegeben... also müssen die schwachen Module sich dran anpassen. Daraus folgen 15V 8A. Insgesamt landen wir dann bei 10x30 + 10x15= 450V und 8A. Ergibt 3600W... alles fein.


    Wenn man drüber nachdenkt, könnte man auf die Idee kommen, dass die starken Module die Optimierer nun gar nicht brauchen, weil sie ja nichts umsetzen mussten. Zudem wird damit geworben, dass man Tigos nicht an allen Modulen installieren muss. Also lassen wir sie weg und bauen nur 10 Optimierer an den schwachen Teilstring.


    Wie erwartet ändert sich an der Rechnung nichts. Die starken Module ohne Optimierer liefern weiter ihre 8A, die schwachen werden auf 15V 8A umgesetzt -> alles fein.


    Oder doch nicht?


    Da die Sonne im Laufe des Tages über den Himmel wandert (scheinbar), kehrt sich aber irgendwann die Situation um. Nun sind die starken Module die schwachen und umgekehrt. Folglich müssen wir uns überlegen, was jetzt geschieht, denn nun haben die schwachen Module keinen Optimierer mehr.


    Der Strom im String wird durch die schwachen Module bestimmt, also 4A. Die starken Module könnten 8A, aber das bringt in dem Fall rein gar nichts. Zusätzlich sind die Tigos nicht in der Lage, die Spannung nach OBEN anzupassen, aber genau das wäre nötig, um den einzig sinnvollen Arbeitspunkt von 60V 4A zu erreichen. Also bleibt der ganze String bei 4A und 600V, also 2400W. Wir verlieren also wieder ein ganzes Drittel oder den gesamten Ertrag des nun schwachen Teilstrings.


    Schattenmanagement würde im Normalfall die Situation etwas verbessern. Im Beispiel ist das nicht der Fall, denn der zweite MPP liegt ja offensichtlich bei 300V 8A, was wiederum 2400W sind. Verschiebt man das Leistungsverhältnis zwischen stark und schwach, so sind die beiden MPP unterschiedlich groß. Werden die schwachen Module noch schwächer, liegt der MPP bei 300V, werden sie stärker, bei 600V. In jedem Fall geht viel verloren.


    Wenn man also verschiedenen Ausrichtungen mit Optimierern begegnen will, MUSS man alle Module des Strings damit ausstatten. Anderenfalls riskiert man, in allen Situationen, in denen die Module ohne Optimierer die "schwächeren" sind, einen beträchtlichen Ertragsausfall. Eine Teilausstattung ist also nur sinnvoll, wenn sichergestellt ist, dass die schwächeren Module IMMER die schwächeren sind (das könnte z.B. passieren, wenn man sie senkrecht an einer Fassade befestigt, während die übrigen Module auf einem Dach montiert sind). In Ausnahmefällen könnte es auch noch sinnvoll sein, wenn die schwächeren Module nur ganz kurz und ganz selten zu den stärkeren werden.


    Anders gesagt: Tigo-Optimierer können schwächere Module an stärkere anpassen, aber eben nicht umgekehrt. Wenn man obige Erkenntnis also auf Szenarien mit mehr als zwei unterschiedlichen Beleuchtungen ausweitet (z.B. ein Walmdach mit vier belegten Seiten), dann bedeutet das: Ein Modul kann nur dann ohne Optimierer auskommen, wenn es IMMER das stärkste ist (oder zu den stärksten gehört). Das wird bei einem Walmdach aber nie passieren, weil morgens O am stärksten ist, Mittags S und abends W. Also müssen alle vier Seiten Optimierer bekommen.


    Bis hierher erst einmal... Fragen, Kommentare, Korrekturen gerne hier, Details zu Anlagenplanungen bitte nicht hier.


    Viele Grüße,


    Jan

  • Hi,

    Ich fomuliere mal den Standpunkt von smoker59 mit den Worten von pflanze :

    Ja zum Schattenmanagement, nein zu Optimierern.


    Das ist nicht der Punkt. Ich will einfach eine Referenz, auf die man verweisen kann. Natürlich ist all das schon hundert Mal gesagt worden, aber da pflanze s FAQ voll ist, habe ich das alles im Stück mal zusammengetippt, damit jeder Interessierte die Hintergründe nachlesen kann.


    Irgendwelche Folgerungen will ich damit gar nicht treffen, auch wenn ich dir inhaltlich voll zustimme und zudem denke, dass die Rechnungen hinsichtlich der Schatten auch genau das bestätigen. Mit den im Beispiel mehr eingespeisten 60W für den eher kurzen Zeitraum der Beschattung kann man sicher keinen Optimierer finanzieren, selbst wenn dieser spezifikationsgerecht funktionieren sollte.


    "Nein zu Optimierern" würde ich nicht so allgemein unterschreiben: In Settings wie einem Walmdach mit vier Ausrichtungen und jeweils wenigen Modulen ist das sehr wohl sinnvoll, wie die Rechnungen ja auch belegen. Darum würde ich da auch SE empfehlen. Tigo macht (ganz abgesehen von den Problemen, von denen du berichtet hast) hier keinerlei Sinn, denn die Optimierer kosten das gleiche und ein "normaler" WR ist teurer als ein SE-WR -> SE ist also sogar billiger.


    Viele Grüße,


    Jan

  • Zu den beliebten Tigos.

    So wie viele Optimierer können diese Teile ihre Daten live im Sekundentakt absetzen.

    Aus dem Datenstrom werden folgende Werte angezeigt, wobei nicht sicher ist ob es sich dabei auch um Berechnungen handelt.


    Ausgangsspannung in Volt, eventuell aus Eingangsspannung und Tastgrad errechnet

    Eingangs-Leistung in Watt, errechnet aus Eingangsstrom und Eingangsspannung

    Feldstärke in Werten bis 255. Ob am Empfänger gemessen oder am Optimizer, unbekannt da Kommunikation <->

    Tastgrad in Werten bis 255

    Eingangsspannung in Volt

    Temperatur in Grad Celsius

    Leistung, dieser Wert ist immer "0", also nicht genutzt.

    Eingangsstrom in Ampere


    Da die Tigos kein echtes MPPT können und sich oft suboptimal oder gar nicht anpassen fände ich es sehr begrüßenswert wenn die Dinger als Algorithmus einfach versuchen die Eingangsspanung per Tastgrad auf 32 Volt zu halten.

    Weder die grobe Spannung von 32 Volt (für 60 Zeller), noch die genaue Spannung muss fix sein.

    Die grobe soll man konfigurieren können, die Feinjustage kann man mt der Temperatur die ja bekannt ist bewerkstelligen, und wenn man möchte noch den letzten Tic über den Eingangsstrom rauskitzeln.

    Also eine reine Steuerung und keine MPPT Regelung.

    Das ist allemal besser als wenn die Dioden im Modul aktiviert werden weil der Wechselrichter es so will und der Optimizer verschlafen hat die Ausgangsspannung zu Gunsten des String-Stroms runter zu setzen.

  • Hallo,


    danke für die schöne Ergänzung!

    Da die Tigos kein echtes MPPT können und sich oft suboptimal oder gar nicht anpassen

    Mein obiger Artikel betrachtet natürlich die Idealsituation so, wie es sein sollte, wenn die Dinger einen MPPT hätten.


    Ich kann diese Aussage (oft supotimale oder keine Anpassung) aber nach meinen Messungen (direkt Strom und Spannung gemessen, nicht via Monitoring) an einem einzelnen Tigo mit einem Heizwiderstand als Last bestätigen. Das ist so natürlich kein spezifikationskonformer Betrieb, so dass ich meine Messungen nicht überbewerten will.


    Viele Grüße,


    Jan