Die Firma SunEnergy Europe GmbH wird zu Photovoltaikanlagen gerufen, wenn ein Sturm gewütet hat. Im vorigen Jahr untersuchte die Firma acht Anlagen, nachdem im Herbst 2013 die Stürme „Christian“ und „Xaver“ mit Geschwindigkeiten von bis zu 170 beziehungsweise 130 Kilometern pro Stunde an der Nord- und Ostseeküste entlanggefegt waren. Es zeigte sich, dass in den Systemen zwei- bis dreimal so viele Module Schaden genommen hatten, als augenscheinlich sichtbar war. Das Magazin des Photovoltaikforums sprach darüber mit Florian Kubitz, dem Teamleiter Service und Qualitätsmanagement des Hamburger Unternehmens.

Florian Kubitz untersucht Solaranlagen, die durch Stürme geschädigt wurden. Fotos (3): SunEnergy Europe GmbH
Magazin: Was haben Sie festgestellt bei der Untersuchung von Photovoltaikanlagen nach den beiden Stürmen im vergangenen Jahr?
Florian Kubitz: Wir haben festgestellt, dass Schäden an Modulen auftreten, die optisch nicht sichtbar sind. Das heißt, wenn ein Modul von einem Gegenstand getroffen wird, dann können in den Solarzellen Brüche entstehen, ohne dass von außen eine Beschädigung sichtbar ist. Es ist dann unbedingt erforderlich, mit einer Elektrolumineszensmessung die Module zu untersuchen und herauszufinden, welche Module beschädigt sind. Wir haben ein Stufenverfahren entwickelt, durch das wir versuchen, den Schaden einzugrenzen: Wir gehen erst einmal von den Modulen aus, die offensichtlich betroffen sind und schauen dann, wo die Flugschneise ist, die der Sturm genommen hat. Innerhalb dieser Flugschneise prüfen wir, ob noch weitere Module betroffen sind. Letztlich können wir den Schaden so eingrenzen und müssen nicht die gesamte Anlage demontieren.
Magazin: Die Flugschneise können Sie für jede Anlage ermitteln?
Kubitz: Die Flugschneise ergibt sich aus der Windrichtung. Ein häufiger Fall ist, dass sich im Modulfeld ein Modul gelöst hat. Man kann dann anhand dessen, wo das Modul gefunden wurde, und anhand der Windrichtung ungefähr bestimmen, wo es langgeflogen ist. Aufgrund von Turbulenzen können aber auch Luftbewegungen entgegen der Hauptwindrichtung auftreten. Daher prüfen wir auch Stichproben außerhalb der angenommenen Flugschneise, um wirklich sicher zu gehen, dass wir den gesamten Schaden erfasst haben.
Magazin: Normalerweise würde ich davon ausgehen, dass die Module so fest verankert sein sollten, dass sie nicht heruntergeweht werden können.
Kubitz: Grundsätzlich sind solche Konstruktionen für bestimmte Windgeschwindigkeiten bemessen. Bei einem Orkan kommt es vor, dass höhere Windgeschwindigkeiten auftreten und dann kommt es vor, dass Bauteile auch versagen. Obwohl eine Anlage korrekt montiert ist, kann ein Modul da herausgerissen werden. Das ist auch der häufigste Fall, dass Module herausgerissen werden – und dann über die Anlage drüberfliegen, gegen andere Module prallen und weitere Module mit beschädigen.
Magazin: Wenn sich Teile der Anlage gelöst haben, erkenne ich das als Betreiber. Gab es auch Fälle, in denen ein Sturmschaden nicht so offensichtlich zu erkennen war?
Kubitz: Die Fälle, die wir bisher untersucht haben, waren immer so, dass es Module gab, die offensichtlich optisch geschädigt waren und wo wir weiter untersucht haben, welche Module noch betroffen sind, wobei man das bei diesen dann optisch nicht sehen konnte.
Magazin: Wie viele Module waren im Schnitt betroffen, ohne dass es von außen sichtbar war?
Kubitz: Bei den uns bekannten Anlagen waren in der Regel zehn bis 15 Prozent der Module ohne optischen Schaden aber mit Auffälligkeiten im Elektrolumineszenz-Bild (EL-Bild), die auf einen Sturmschaden zurückschließen ließen.

Ein Ausschnitt aus einem anderen Modul: Die Risse in den Zellen verlaufen diagonal und sind relativ lang – ein Zeichen für einen Sturmschaden.
Magazin: Woran machen Sie bei der Analyse durch Elektrolumineszenz einen Sturmschaden fest? Durch was zeichnen sich die Bilder aus?
Kubitz: Es gibt typische Bruchmuster, anhand derer man einen Sturmschaden identifizieren kann. Wo diese Bruchmuster auftreten, kann man auch mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass dieser Schaden von einem Sturm hervorgerufen wurde. Man muss aber auch sagen, dass leider eine gewisse Zahl von Modulen übrig bleibt, die geschädigt sind, wo wir aber nicht mit Sicherheit sagen können, dass dieser Schaden durch den Sturm ausgelöst war oder dieser Schaden nicht vielleicht eher einer ist, der schon in der Produktion oder Montage entstanden ist.
Magazin: Wie sieht das EL-Bild eines Moduls aus, das einen Sturmschaden erlitten hat?
Kubitz: Das sind diagonale Brüche. Am besten lässt sich das an den Bildern erkennen (siehe EL-Bilder nebenstehend/Anm. d. Verf.).

Ausschnitt aus einem EL-Bild eines geschädigten Moduls: Rot markiert sind Zellen mit sehr kritischen Mikrorissen. Die gelb umrandeten zeigen kritische Risse. Nur die grüne Zelle ist in Ordnung.
Magazin: Wann plädieren Sie für einen Modultausch?
Kubitz: Wir denken, dass bei Modulen, wo der Schaden eindeutig dem Sturm zugeordnet werden kann, die Versicherung verpflichtet ist, diese auszutauschen. Wenn nicht ganz klar ist, woher der Schaden kommt und es handelt sich um Module, die zwar Zellbrüche aufweisen, aber noch keine Leistungseinbußen haben, dann gibt‘s auch die Möglichkeit, diese Module zu separieren. Sie werden in einen eigenen String gebaut, wo man die geschädigten Module besser überwachen kann und feststellt, ob noch Probleme auftreten.
Magazin: Ist das auch ein Lösungsvorschlag von Versicherungen, dass man sagt: „Wir warten erst noch, ob getauscht werden soll.“
Kubitz: Das haben wir so noch nicht gehabt. Die Versicherungen sind bereit, die Module, die eindeutig durch einen Sturm geschädigt wurden, zu ersetzen.
Magazin: Es reicht dann, wenn Sie ein Gutachten schreiben?
Kubitz: Ja, genau.
Magazin: Und die Versicherungen zahlen für den gesamten Aufwand inklusive De- und Remontage der Module?
Kubitz: Es gibt ja meist in den Verträgen eine Selbstbeteiligung, die der Kunde tragen muss. Ansonsten kommt die Versicherung für den gesamten Schaden auf.
Magazin: Was erwarten Sie langfristig, wenn Module, die einen Sturmschaden erlitten haben und Mikrorisse in den Zellen verzeichnen?
Kubitz: Langfristig ist mit Mindererträgen zu rechnen. Es kommt auf den Grad des Schadens an, wie groß die Mindererträge sind. Das ist mit Sicherheit noch nicht zu sagen. In dem Bereich wird ja nach wie vor viel geforscht, weil noch nicht wirklich klar ist, wie sich diese Brüche langfristig auswirken. Das hängt auch mit den Umgebungsbedingungen zusammen: Wie groß sind die Temperaturschwankungen? Welche mechanischen Belastungen treten auf? Insofern lässt sich das natürlich nur im Einzelfall beantworten.
Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Ines Rutschmann.
Über den Autor