Im Sommer veröffentlichte die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (DKE) einen Entwurf für eine geänderte Norm. Das Papier ist zwar recht dünn, aber es löste Protest in der Photovoltaikbranche aus. Es werden Bedingungen definiert, damit Stecker-Solarmodule in einer Wohnung oder einem Haus verwendet werden dürfen. Gegen den Normentwurf erhoben Kritiker Einspruch und legten eigene Vorschläge für technische Richtlinien vor. Anfang Dezember gab es mit allen Beteiligten einen runden Tisch. Wie es mit der Normung der solaren Kleinstanlagen weitergeht, klärt sich Anfang 2017.

Über den Anschluss von Steckdosenmodulen bestehen unterschiedliche Meinungen bei Vertretern aus Normungskreisen und aus der Solarbranche. Aber sie nähern sich einander an. Foto: 3d_generator/Fotolia
Die Kabel von Plug-in-Modulen enden mit einem Stecker, der in jede Haushaltssteckdose passt. Denn Steckdosenmodule sollen nicht aufwändig auf einem Dach montiert und über den Hausanschluss mit dem Stromnetz verbunden werden. Sie sollen einfach auf einem Balkon oder auch am Fenster aufgestellt werden können. Ein Wechselrichter wandelt den Strom, damit er direkt ins Hausnetz fließen und so zur Versorgung des Betreibers beitragen kann.
Der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE), dem die DKE angegliedert ist, hatte 2013 Bedenken bei dieser Art von Photovoltaikanlagen geäußert. Der Stromkreis im Haushalt könnte überlastet werden und in einem solchen Fall ein Brand drohen, hieß es damals. Daher wurden bereits 2014 Vorschläge für eine Norm nur für Plug-in-Module erarbeitet. Die Regeln sollen für eine sichere Installation und einen sicheren Betrieb der Module sorgen. Im Entwurf wurde die überarbeitete Norm für den Anschluss von Stromerzeugungseinrichtungen für den Parallelbetrieb mit anderen Stromquellen einschließlich einem öffentlichen Versorgungsnetz (DIN VDE 0100-551-1) in diesem Sommer veröffentlicht. Sie sieht vor, dass die Module nur an eine Steckdose mit separat abgesichertem Stromkreis angeschlossen werden dürfen.
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Kritik der Solarbranche am Normentwurf
Die Norm zu erfüllen, bedeutete einen hohen Aufwand und machte die Investition unwirtschaftlich, kritisierten Verbände und Unternehmen der Solarbranche. Dabei seien Stecker-Solaranlagen für viele Mieter und Eigentümer von Wohnungen die einzige Möglichkeit, an der Energiewende teilzunehmen. Zugleich ginge von Kleinstanlagen eben kein Sicherheitsrisiko aus. Hier verweisen die Kritiker an den Sicherheitsnormen immer wieder auf andere Länder, in denen kleine Anlagen aus Steckdosenmodulen ohne Einschränkung an ein Hausnetz geschlossen werden können. In der Schweiz gilt beispielsweise eine Bagatellgrenze bis zu einer Stromstärke von 2,6 Ampere. Stecker-Solaranlagen bis zu diesem Stromwert unterliegen keiner Richtlinie zum Anschluss an ein Hausnetz.
Einer der Kritiker trommelte im Herbst Gesinnungsfreunde zusammen, die sich zur Gruppe PV Plug formierten. Marcus Vietzke von der Firma Indielux ist der Initiator der Aktion. Sie wird maßgeblich von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) unterstützt. Im August wurde PV Plug eine Arbeitsgruppe der DGS. Seither wurde ein Positionspapier erarbeitet und das Gespräch zur DKE gesucht. Anfang Dezember gab es einen runden Tisch, in dem die Positionen ausgetauscht wurden.
Bagatellgrenze für Stecker-Solarmodule bis 2,6 Ampere Stromstärke gefordert
PV Plug fordert eine Bagatellgrenze für den Anschluss von Stecker-Solar-Geräten bis zu einer Stromstärke von 2,6 Ampere, wie dies in der Schweiz bereits gehandhabt wird. Die Stromstärke entspricht der von handelsüblichen kristallinen Siliziummodulen mit rund 630 Watt Leistung. „Bis zu einer Stromgrenze von 2,6 Ampere sind die Überlasten von Stecker-Solar-Geräten mit anderen normativen Überlasten vergleichbar“, wird in dem Positionspapier ausgeführt. In den Laboren der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin (HTW Berlin) sei das Überlastverhalten im Dauerbetrieb untersucht worden, als wenn die Module nonstop Strom aus Sonnenlicht erzeugten. Ergebnis: Eine zeitweise leichte Erhöhung der Leitungstemperatur um 13,4 Grad Celsius. Diese Erhöhung liegt jedoch noch weit unter den Grenzwerten der Isolierung der Leitungen. Eine Brandgefahr sei empirisch nicht nachweisbar. Lediglich die Alterung der Isolierung würde leicht beschleunigt.
Dennoch wollen auch die Vertreter von PV Plug, dass Stecker-Solar-Geräte sicherstellen, dass eine mögliche Temperaturerhöhung in den Kabeln klein ausfällt. Dies gelingt über Leistungsschutzschalter. Gibt es im Haushalt Sicherungsautomaten, sollen die Bewohner selbst ihre Stecker-Solar-Geräte mit einem Maximalstrom von bis zu 2,6 Ampere anschließen dürfen. Ein Elektriker soll die Inbetriebnahme nicht ausführen müssen. In Haushalten mit Schraubsicherungen sollen diese durch moderne Fabrikate getauscht werden, die einen kleineren Strom tolerieren. Das kostet weniger als 100 Euro, ist aber von einem Elektriker auszuführen.
Wechselrichter mit NA-Schutz gegen Stromschlag bei Berühren
Wichtig ist aus Sicht von PV Plug, dass ein Stromschlag beim Berühren eines Steckers eines Plug-in-Moduls ausgeschlossen wird. Dem beugten am Modul befestigte Wechselrichter über einen NA-Schutz vor. Schon nach 0,2 Sekunden liege keine gefährliche Spannung am Stecker an, heißt es. „Somit ist davon auszugehen, dass Stecker-Solar-Geräte mit NA-Schutz zu keinerlei Gefahr für Leib und Leben führen.“
Die Forderungen von PV Plug ähneln den Vorschlägen, die Verbraucherschützer machen, um die Nutzung von Stecker-Solar-Anlagen einfach zu gestalten. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat im November ein Positionspapier veröffentlicht, in dem ebenfalls eine Bagatellgrenze für Einstecksysteme verlangt wird. Bei etwa 600 Watt Leistung ziehen die Autoren des Papiers diese. Dann gelange „ein zusätzlicher Strom von rund 2,5 Ampere in einen Stromkreis“, schreiben sie. Auch die Verbraucherzentrale spricht sich für Schutzschalter aus, die den zulässigen Strom verringern sowie für einen Schutzmechanismus an den Steckern der Module selbst, um einen Stromschlag zu verhindern.
Über das erste Treffen zwischen Vertretern von PV Plug, DKE und weiteren Vertretern aus Wirtschaft und Vereinen sprechen die Beteiligten vornehmlich positiv. Man habe die eigenen Positionen darlegen können, sagt Vietzke. „Es konnte ein gemeinsames Verständnis zwischen den Beteiligten geschaffen werden, welche Arten von Normen für ein lückenloses Regelwerk benötigt werden“, erklärt Jens Gayko, Fachbereichsleiter bei der DKE. Völlige Übereinstimmung in allen Fragen besteht aber noch nicht. Ein Reibungspunkt sei die Frage, ob die üblichen Haushaltsstecker für Plug-in-Systeme verwendet werden können, oder ob spezielle, berührungssichere Stecker verwendet werden sollten.
Gremium für Installationsnorm berät über weiteres Vorgehen Anfang 2017
Für Stecker-Solar-Geräte soll nun eine Produktnorm erarbeitet werden. Wie es mit der Installationsnorm weitergeht, die im Entwurf vorliegt, wird sich vermutlich Anfang 2017 klären. Dann kommt das zuständige Gremium zusammen und berät über das Vorgehen. Ende nächsten Jahres könnte bereits eine Norm auf nationaler Ebene vorliegen – „sofern Einigkeit unter den Beteiligten erzielt werden kann“, sagt Gayko. Mittelfristig seien aber auch eine europaweite und eine weltweite Norm notwendig. Dafür sollten drei Jahre eingeplant werden.
PV Plug hat im Positionspapier weitere Forderungen formuliert, die aber außerhalb der Diskussion um technische Richtlinien stehen, sondern sich an den Gesetzgeber richten. So soll es für Steckdosenmodule mit bis zu 800 Watt Leistung keine Meldepflichten gegenüber dem Netzbetreiber oder der Bundesnetzagentur geben. Schließlich handele es sich um keine Systeme, für die Förderungen über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bezogen werden. Und die Gruppe wünscht sich von Politik und den Netzbetreibern ein klares Bekenntnis zur dezentralen Stromerzeugung. Normative Hürden zur Nutzung von Stecker-Solarmodulen sollen abgebaut werden.
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