Die Zuständigkeit für die Energiepolitik wird in der neuen Bundesregierung dem Wirtschaftsministerium zugeschlagen. Die Grünen halten die Abkopplung der Energiepolitik vom Umwelt- und Klimaschutz für einen Fehler. Das muss nicht sein: Zum Lenker des neuen Ressorts ernannt wird ein ehemaliger Umweltminister und zu seinem Staatssekretär macht er einen Grünen.
Für Sigmar Gabriel (SPD) war die Förderung erneuerbarer Energien immer auch mit Wirtschaftspolitik verknüpft. Noch als Umweltminister im ersten Kabinett von Angela Merkel (CDU) erzählte er, wie sich die Industrie in seiner Heimat Niedersachsen im Niedergang befand – bis die Windkraftbranche erblühte und neue Arbeitsplätze schuf. Der Ausbau erneuerbarer Energien bringt Deutschland auch wirtschaftlich voran, Atomstrom hemme dagegen die positive Entwicklung, da er das Netz verstopfe. Das sagte Gabriel im Spätsommer 2009 bei der Einweihung der Modulfabrik von Nanosolar in Luckenwalde. Die amerikanische Firma hat sich längst aus Deutschland zurückgezogen, Gabriel aber ist nach vier Jahren Opposition wieder in der neuen Regierung vertreten: als Wirtschafts- und Energieminister.

Sigmar Gabriel (Mitte) zwischen Jürgen Trittin und Renate Künast auf einer Demonstration gegen die PV-Novelle 2012. Foto: BSW-Solar/Paul Langrock
An seine Seite hat er sich einen Grünen geholt: Rainer Baake wird Staatssekretär im neu zugeschnittenen Ministerium, zuständig für Energie. Er leitete die vergangenen beiden Jahre als Direktor das Denk- und Politiklabor Agora Energiewende und war unter Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) von 1998 bis 2005 Staatssekretär im Umweltministerium. Er handelte den ersten Atomausstieg mit den Konzernen aus und brachte das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auf den Weg.
Gabriel: Energieversorgung soll sicher und bezahlbar sein
Sowohl Gabriel als auch natürlich Baake verstehen, warum es bei der Energiewende geht. Sie müssen sich in das Thema nicht erst noch einarbeiten. Entsprechend schnell ist mit Vorlagen für neue wie novellierte Gesetze zu rechnen. Als Ziele seines Ministeriums nannte Gabriel gestern in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, aber „in einer Art und Weise, dass Bürger aber vor allem auch die Industrie das bezahlen können“. Deutschland sei ein starker Industriestandort. Da dürfe nichts riskiert werden.
Jürgen Trittin kritisierte heute Morgen die Zuschneidung der neuen Wirtschafts- und Umweltministerien. „Wenn Sie die Energiekompetenz und die Klimakompetenz trennen, dann sind Sie eigentlich handlungsunfähig, insbesondere auch beim Klimaschutz“, sagte er dem Deutschlandfunk. Dass Erneuerbare-Energien-Anlagen so zügig aufgebaut wurden, habe auch daran gelegen, dass das Umweltministerium seinerzeit die Kompetenz für Ökoenergie erhielt.
Baake vertritt radikale Vereinfachung des EEG
Was die gestern öffentlich gewordenen Entscheidungen für die Energiewende bedeuten, wird sich zeigen. Die Berufung Baakes deutet darauf hin, dass das Projekt nunmehr zügig vorangetrieben und nicht länger in der Warteschleife hängen wird. Als Direktor von Agora Energiewende hat sich Baake für eine radikale Vereinfachung des EEG ausgesprochen. Das umfasst die Abschaffung von Beschränkungen wie die Nichtförderung von Anlagen auf Äckern und mit einer Leistung größer zehn Megawatt sowie die Deckelung des Ausbaus der Photovoltaik auf derzeit 52 Gigawatt bis 2020. Dafür plädierte seine Denkfabrik für eine Vergütungsobergrenze für alle Erzeugungstechnologien von 8,9 Cent pro Kilowattstunde und die verpflichtende Direktvermarktung für Neuanlagen ab einem Megawatt Leistung. Beim Thema Eigenverbrauch erklärte er in einer Pressekonferenz Anfang Herbst, dass die heutige Handhabung kein zukunftsfähiges Modell sei. Da sich durch Eigenverbrauch kaum jemand vom Stromnetz abkoppelt und damit die Infrastruktur für die Erzeuger weiterhin bereitzustellen ist, sollten die Netzentgelte an der bezogenen Leistung bemessen werden und nicht mehr an den verbrauchten Kilowattstunden. „Die Politik hat nur ein kleines Zeitfenster, das zu korrigieren“, sagte er. Vermutlich steuert er die Korrektur nun selbst.
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