Einst von der Politik gefördert, steht der Eigenverbrauch von Solarstrom seit Jahresbeginn in der Kritik. Er führe zur Entsolidarisierung im Stromnetz, heißt es. Wenn Union und SPD nun in ihren Koalitionsvertrag verankern, dass auf selbst verbrauchten Strom die EEG-Umlage zu erheben ist, bedeutet dies wohl das Ende gewerblicher Solaranlagen.
Einst wünschte die Politik, dass Solarstromerzeuger weniger Energie ins Netz abgeben und sie statt dessen selbst nutzen. Es war im Jahr 2009, als ein Anreiz für den Eigenverbrauch von Sonnenstrom eingeführt wurde. Für jede Kilowattstunde, die in räumlicher Nähe ihre Verwendung fand, erhielt der Erzeuger eine Vergütung. Diese entsprach dem regulären Einspeisetarif, reduziert um 12 oder 16,38 Cent pro Kilowattstunde. Bis zu 31 Cent pro Kilowattstunde erhielten Anlagenbetreiber damit. Mit dem seit April 2012 wirksamen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) endete diese Förderung. Nach den drastischen Einschnitten bei den Einspeisetarifen, die mit der sogenannten PV-Novelle verbunden waren, entwickelte sich der Eigenverbrauch aber zu einem neuen Standbein in der Branche. Jede Anlage wird inzwischen standardmäßig mit der Option auf Eigenverbrauch errichtet. Nur aufgrund des Eigenverbrauchs rentieren sich überhaupt die meisten Photovoltaikanlagen für Gewerbebetriebe und Eigenheimbesitzer.
Das Konzept der Politik ging also offenbar auf. Das Bundesumweltministerium legte in diesem Jahr noch mit der KfW-Bank ein Förderprogramm zur Anschaffung von Stromspeichern auf. Ab Januar 2014 können nur noch 90 Prozent der erzeugten Energie einer Anlage die Einspeisevergütung erhalten, hat der Gesetzgeber festgelegt. Was anderes soll jemand mit zehn Prozent Stromausbeute machen, als ihn selbst abzugreifen?
Altmaier spricht von Entsolidarisierung
Doch seit Anfang 2013 steht der Eigenverbrauch in der Kritik. Denn wer weniger Strom aus dem Netz bezieht, zahlt auch proportional weniger Netzentgelte, EEG-Umlage und alle weiteren Steuern und Umlagen, die auf den Strompreis geschlagen wurden. Die fehlenden Einnahmen werden dann über steigende Umlagen und Entgelte geltend gemacht. Wer keinen Eigenverbrauch betreibt, zahlt damit im Verhältnis immer mehr. Als Entsolidarisierung in der Energieversorgung bezeichnet Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) im Januar dies. Der Vorsitzende des Verbands der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW), Wolfgang Brandl, warnte im Oktober vor einem Auseinanderbrechen der seit mehr als 100 Jahren bestehenden Solidargemeinschaft in der Stromversorgung. Mit Schwarzbrennern verglich Eon-Chef Johannes Teyssen Selbstverbraucher von Solarstrom.
In ihren Koalitionsverhandlungen sehen Union und SPD nunmehr vor, auf selbst verbrauchten Strom die EEG-Umlage zu erheben. Anlagenbetreiber bekämen dann nicht mehr etwas vom Staat, sie müssten beispielsweise im nächsten Jahr 6,24 Cent für jede selbst erzeugte und selbst verbrauchte Kilowattstunde zahlen. Nicht jede einzelne Solarstromanlage wäre wohl betroffen, da es eine Bagatellgrenze für kleine und mittelgroße Systeme geben soll. Wo die Grenze exakt verläuft – darüber gibt es bislang keine Informationen. Die geplante Regelung dürfte aber nicht nur die Betreiber von Photovoltaikanlagen betreffen, sondern müsste alle Stromerzeuger einschließen, die sich selbst versorgen. Hohe Eigenverbrauchsraten verzeichnen insbesondere Blockheizkraftwerke und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, wie sie in Schulen und Schwimmbädern, in Gewerbebetrieben und Fabriken seit Jahren eingesetzt werden. Der Eigenverbrauch in der Industrie lag zuletzt bei 40 Terawattstunden im Jahr. Dies gab bislang jedoch keinen Anlass für eine Diskussion über eine stärkere Beteiligung der Unternehmen an den Netzentgelten.
Eigenverbrauch von Solarstrom bislang nicht statistisch erfasst
Dagegen gibt keine prüfbaren Zahlen, wie hoch die selbst verbrauchte Solarstrommenge in Deutschland aktuell ist. „Wir arbeiten daran, das statistisch zu erfassen“, sagt der Präsident des Bundesverbands Solarwirtschaft e. V. (BSW-Solar), Günther Häckl, auf Anfrage. Der Verband rechnet bis 2020 mit einem Anteil von weniger als zwei Prozent an der gesamten Solarstromproduktion. Aktuell erzeugen die Photovoltaikanlagen in Deutschland rund 30 Terawattstunden. Das Wirtschaftsberatungsunternehmen r2b Energy Consulting GmbH geht dagegen von einem Anteil von acht Prozent im nächsten Jahr aus – das wären rund 2,4 Terawattstunden. Ähnlich hoch schätzte r2b 2012 den Eigenverbrauch durch Photovoltaikanlagenbetreiber für dieses Jahr – nämlich auf 2,34 Terawattstunden. Dies entspräche einem Bruchteil der von der Industrie produzierten und verbrauchten Strommenge.
Die Zahl von 2,34 Terawattstunden ist im Moment die am häufigsten zitierte, wenn es um den Eigenverbrauch von Solarstrom geht. So legte auch der VBEW die Angabe für eine Hochrechnung zugrunde: Dem Versorgungssystem fehlten demnach mehr als 350 Millionen Euro, die Solaranlagenbetreiber durch den Eigenverbrauch einsparten, weil sie bislang weder Umlagen noch die über den Strompreis erhobenen Steuern zahlen. Der VBEW verknüpfte die Hochrechnung mit einer Kritik an den Regierenden. „Landes- und Bundespolitik schauen derzeit ratlos zu, wie immer mehr Geschäftsmodelle entstehen, welche der Finanzierung der Energiewende die Grundlage entziehen“, sagte der VBEW-Vorsitzende Brandl im Oktober. Der Verband hält die Belastung des Strompreises durch Umlagen zur Förderung verschiedener Energietechnologien für falsch. Sinnvoller erscheint ihm eine Art Energiewende-Gebühr – diese hätte jeder Bürger zu zahlen und sollte an die Einkommensteuer gekoppelt sein.
Solarbranche fürchtet Absatzeinbruch von Eigenverbrauchsanlagen
Warum sich Politik und Wirtschaft auf die Solarstrombranche eingeschossen haben, um eine Praxis zu kritisieren, die schon lange bestand, ehe der Photovoltaiksektor sie nutzte, bleibt ihr Geheimnis. Die Diskussion um die Erhebung der EEG-Umlage auf Eigenverbrauchsanlagen zeigt aber bereits Wirkung: Sie verunsichert Unternehmen und Investoren. Die Solarbranche befürchtet vor allem einen Einbruch in der Installation von Gewerbeanlagen, wenn der Eigenverbrauch mit der EEG-Umlage belastet wird. „Dort haben wir keine Luft“, sagt Christian Walter von der Unternehmensgruppe Walter Konzept aus Baden-Württemberg. Da die Strompreise bei 16 bis 18 Cent pro Kilowattstunde liegen und die Einspeisevergütung bei rund zwölf Cent pro Kilowattstunde, rechnet sich der Eigenverbrauch seit diesem Jahr für Unternehmen. Würde die EEG-Umlage erhoben, wäre es damit vorbei. „Eigenverbrauch ist das Thema im Moment. Die Investitionen in Photovoltaikanlagen stehen und fallen mit dieser Möglichkeit“, sagt Pascal Fehling, Pressesprecher bei Solartechnik Stiens GmbH & Co. KG aus Hessen. „Eigenverbrauch und lokale Vermarktung sind die sinnvollsten Wege, Photovoltaikstrom zu nutzen“, gibt Christoph Kremin, Senior Manager System Engineering bei Conergy AG in Hamburg, zu bedenken. Der Netzausbaubedarf werde verringert, die Abhängigkeit vom EEG reduziert und die Erzeuger könnten- vor allem in Verbindung mit Speichern – Systemdienstleistungen erbringen. „Gerade auch durch die weitergehende Reduzierung der Einspeisevergütung ist der Eigenverbrauch zu einem wichtigen Treiber der Branche geworden. Eine Umlage oder Steuer wird die Nachfrage nach Eigenverbrauchslösungen und die damit verbundenen Geschäftsmodelle negativ beeinflussen“, fügt er hinzu. Die Energiewende werde ausgebremst.
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